Liebe Gemeinde,
letztes Jahr am 1. Advent fand jedes unserer Kinder ein Kaleidoskop im Adventskalender. Ein Kaleidoskop fiel mir neulich wieder in die Hände. Ich nahm es, schaute, drehte, schaute, schüttelte, drehte, schaute, staunte. Wie schön! Aber es gelang mir einfach nicht, ein sehr schönes Muster genau so noch einmal zu erzeugen. Beim nachdenklichen Spielen ist mir das Kaleidoskop zu einem Sinnbild geworden für meine Advents‐und Weihnachtsgefühle. Es wuselt unglaublich viel durcheinander: Familie, Freundinnen und Freunde, Weltpolitik, große Sorgen, schlimme Nöte, kleine Freuden, schöne Augenblicke, Schenken und Beschenktwerden, aber in dem Durcheinander gibt es Formen, Strukturen, immer neue, immer andere. Ich kann mich aufreiben und versuchen, dieselben Muster immer wieder zu erzeugen oder hässliche zu vermeiden. Ich kann das Kaleidoskop zerlegen – und dabei das Spiegeldreieick als Herzstück des Kaleidoskops entdecken und analysieren. Die Schönheit der Bilder jedoch sehe ich nur, wenn ich das Bruchstückhafte, das Kurzlebige, das Fragmentarische akzeptiere. Wenn ich im Augenblick bleibe und die Bilder einander abwechseln lasse. Ob sich die Schönheit und Güte Gottes nicht doch vielleicht genau dann am deutlichsten zeigt, wenn ich meine Beschränktheit akzeptiere – dass ich durch eine Öffnung schauen muss und dann noch in einen Spiegel? Dass ein winziges Zittern das ganze Bild verändert? Und andererseits: Wenn dieser Einblick schon so atemberaubend und faszinierend sein kann, dann …!
„Wir sehen jetzt in einem Spiegel ein dunkles Bild, dann aber von Angesicht zu Angesicht. Jetzt erkenne ich stückweise, dann aber werde ich erkennen wie ich erkannt bin.“ Dieser Satz aus dem 1. Korintherbrief kommt mir in den Sinn. Weihnachten als Schlüssellochblick in Gottes Herz, fragmentarisch und gebrochen, wuselig und durcheinander, manchmal ernüchternd kurzlebig und doch wunderschön lebendig.
Ihre Dr. Insa Rohrschneider